Artikel nicht gefunden
de
06-10-2025

Die geheimnisvollsten Inseln Venedigs: Poveglia und San Michele

Poveglia – Legenden, Geschichte und ein Hauch von Gänsehaut 

Im Süden der Lagune, gegenüber von Malamocco und westlich des Lido, liegt ein Ort, der seit Jahrhunderten die Fantasie beflügelt: die Insel Poveglia. Genau genommen ist sie kein einzelnes Eiland, sondern ein kleines Archipel aus drei Inselchen – kaum größer als ein Stadtviertel und doch sagenumwoben wie kaum ein anderer Fleck Venedigs. 

 Noch heute zeugen die Ruinen ehemaliger Krankenhauspavillons auf der Hauptinsel von einer bewegten Vergangenheit. Ein schmaler Steg führt hinüber zu einem kargen Nachbareiland, während im Süden das markante „Ottagono“ liegt – eine streng geometrische Festungsinsel aus dem 14. Jahrhundert, deren Form wirkt, als sei sie mit dem Zirkel ins Wasser gezeichnet. 

 Im Mittelalter erlebte Poveglia eine Blütezeit als Handelsplatz. Später änderte sich ihre Bestimmung immer wieder: mal Quarantänestation in Zeiten der Pest, mal Sammelplatz für Boote, mal Kontrollpunkt für Waren und Reisende. Bis in die 1970er-Jahre gab es hier sogar ein Altenheim sowie einzelne Abteilungen des Lido-Spitals. 

Heute ist die Insel verlassen, ihre Gebäude zerfallen, ohne Wasser oder Strom. Doch gerade das macht sie so faszinierend. Poveglia gilt vielen als „Geisterinsel Venedigs“ – Schauplatz düsterer Erzählungen von Massengräbern, Irrenanstalten und einem Arzt, der sich von der Turmspitze stürzte. Im Internet rangiert sie regelmäßig unter den „am stärksten verfluchten Orten der Welt“. 2016 etwa mussten Feuerwehrleute fünf amerikanische Touristen retten, die in Panik flohen, nachdem sie dort übernachten wollten und glaubten, Stimmen und Schreie gehört zu haben. 

Und die Wahrheit? Historiker betonen, dass viele dieser Geschichten mehr Mythos als Realität sind. Dokumentiert ist lediglich, dass im 18. Jahrhundert zwei Schiffe mit Pestkranken anlegten – mit insgesamt zwanzig Todesfällen, deren Namen allesamt überliefert sind. Psychiatrische Einrichtungen befanden sich dagegen auf anderen Laguneninseln wie San Servolo oder San Clemente, nicht auf Poveglia. 

San Michele – die Insel der Erinnerung 

Ganz anders San Michele, die wohl stillste aller venezianischen Inseln. Sie liegt zwischen der Stadt und Murano und beherbergt seit über 200 Jahren den monumentalen Friedhof der Lagune. Hier haben große Persönlichkeiten ihre letzte Ruhe gefunden – Komponisten wie Igor Strawinsky und Luigi Nono, Dichter wie Ezra Pound und Joseph Brodsky, Ballets-Russes-Gründer Sergej Djagilew, der Maler Emilio Vedova, der Psychiater Franco Basaglia, Fußballtrainer Helenio Herrera und der Physiker Christian Doppler. 

Der Friedhof entstand zu Beginn des 19. Jahrhunderts nach einem Erlass Napoleons, der hygienische Bestattungen außerhalb der Stadtmauern vorschrieb. 1813 wurde er vollendet, indem man die kleine Insel San Cristoforo mit San Michele verband. Auf San Michele befand sich zuvor ein Kloster der Kamaldulenser – aus dieser Verbindung wuchs ein einzigartiger Ort: Gräber mit Blick auf die Lagune, neoklassizistische Arkaden neben gotischen Portalen und stillen Renaissancekapellen – ein Freilichtmuseum der Erinnerung. 

San Michele erzählt aber auch von Venedigs weltoffenem Geist. Es gibt eigene Bereiche für verschiedene Glaubensrichtungen, und bis ins 20. Jahrhundert wurden die Verstorbenen in reich geschmückten Leichengondeln feierlich über die Lagune gebracht. 

Noch heute bleibt die Insel Teil gelebter Tradition. Jedes Jahr um Allerheiligen verbindet ein schwimmender Steg die Fondamente Nove mit dem monumentalen Eingang des Friedhofs von San Michele.

2025 wird die 400 Meter lange Brücke vom 30. Oktober bis 6. November wieder errichtet – ein symbolischer Weg, auf dem Einheimische und Besucher die Insel zu Fuß erreichen können. 

Poveglia mit seinen düsteren Legenden, San Michele mit seiner zeitlosen Stille – beide Inseln zeigen eine weniger bekannte Seite Venedigs. Orte, an denen sich Geheimnis und Erinnerung verweben, und an denen man spürt, wie die Zeit für einen Augenblick stillsteht. 

Link kopieren
INFO